Zum Inhalt springen

Der Ring des Polykrates


gummibaum

Empfohlene Beiträge

Ganz Samos fürchtet den Bezwinger
und ehrt ihn doch und schätzt sein Glück.
Ich kröne funkelnd ihm den Finger
und lenke heimlich sein Geschick.

Soeben prahlt er vor dem König
Ägyptens hoch auf dem Palast:
„Dies alles ist mir untertänig!
Bin ich nicht glücklich, werter Gast?“

Der Gast mag dies nur halb bejahen
und warnt: „Du bist noch nicht am Ziel.
Noch lebt ein Feind und kann bald nahen.“
Ich hör’s und hab die Hand im Spiel.

Und kaum, dass er das Wort gesprochen,
erscheint der Bote aus Milet:
„Der Feind sank hin, vom Speer durchstochen!“
Er zeigt den Kopf, der tropft und geht.

Mein Stein beginnt vergnügt zu blinken.
Der Gast jedoch erschaudert sehr
und mahnt: „Noch kann die Flotte sinken,
und all dein Glück ertrinkt im Meer.“

Mein Glanz eilt fort, und ohne Schaden
durch wilder Wogen Urgewalt
erreicht die Flotte, reich beladen
mit Beute, unsern Hafen bald.

Der Kreter Schiffe sind dagegen
versprengt und greifen nicht mehr an.
Der Gast ist sprachlos, ihn bewegen
Gedanken, wie das enden kann:

„Mein Freund, dein Glück ist sehr gefährlich.
Es weckt der Götter Zorn und Neid.
Drum opfere, was unentbehrlich
erscheint und strafe dich durch Leid.“

Ein Schreck durchfährt mich, und tatsächlich
streift der Tyrann im Wankelmut
vom Finger mich und wirft mich plötzlich
im hohen Bogen in die Flut.

Nun ruf ich selbst, der dinglich Schwache,
das Opfer auf dem Meeresgrund,
die Götter an, und ihre Rache
spült mich in einen großen Schlund.

Noch ist es dunkel in dem Fische,
dann fängt man ihn, ich kehr zurück.
Der Koch zeigt mich dem Gast bei Tische
und rühmt des Ringbesitzers Glück.

Der Gast erblasst, er fühlt die Neige
des Glückes, das schon bald entflieht.
Er schifft sich ein, und ich verschweige,
was nun mit meinem Herrn geschieht...


(nach Schillers Ballade)

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

  • Antworten 7
  • Erstellt
  • Letzter Kommentar

Das werde ich auch nicht tun, lieber Carlos.

Selbst Herodot schwieg darüber.

 

Ich verstehe deine Erleichterung, liebe Melda.

Meine Mutter wählte als Schülerin das Lied von der Glocke, als alle irgendein Gedicht auswendig lernen sollten. Sie trug noch uns Kindern begeistert Teile daraus vor, die sie abgespeichert hatte.  

 

Danke für euer Lob!

Beste Grüße von gummibaum

 

 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Archiviert

Dieses Thema ist jetzt archiviert und für weitere Kommentare gesperrt.


×
×
  • Neu erstellen...

Wichtige Information

Community-Regeln
Datenschutzerklärung
Nutzungsbedingungen
Wir haben Cookies auf deinem Gerät platziert, um die Bedienung dieser Website zu verbessern. Du kannst deine Cookie-Einstellungen anpassen, andernfalls gehen wir davon aus, dass du damit einverstanden bist.