Zum Inhalt springen

Empfohlene Beiträge

 

Zwei Winde


Lange haben sie geheult,
gewinselt, gebettelt, wütend
an den Toren ihrer Kerker gerüttelt.
Raus wollten sie ins Erdenleben,
ihre Kraft entfalten, mit Lust
endlich in Freiheit große Werke 
der Zerstörung vollbringen.
Niemand weiß,
wer ihnen die Tore geöffnet.


 Der Erste entweicht im Süden 
seinem Gefängnis, versengt
Wälder, Steppen und Städte 
mit seinen Hitzelohen.
Jubelnd feuert er zum Kriege an, 
jauchzt, wenn Menschen 
und Mauern zu Boden sinken.
Umgürtet mit flammendem Gewand,
treibt er Temperaturen und Atemnöte an,
freut sich kindlich, wenn die Wasser
über die Kronen der Deiche steigen.

 

Staub aus ausgeglühter
Asche bläst der Zweite von Westen
in den dürren Garten Eden, wo
Kinder kraftlos von der Brust
der Mutter sinken und Tränen
einen Mangel an Trost ersetzen.
Die Starken aber, die, auf ihrer Suche
nach gerechter Welt, Meere überwinden,
reizt er durch Familienelend, Hunger 
und Teuerung zum Widerstand,
bläst sie als Sandkörner in die Maschinerie
gieriger Potentaten in Politik und Ökonomie.

 

Wie weiter, fragen sich Zeitgenossen,
wenn schon zwei Winde soviel Unheil
über die zerriss´ne Welt und ihre Bewohner bringen?
Was können, müssen alle an Opfern beitragen,
um die Wut stürmischer Winde zu mildern,
damit für alle ein friedliches Leben 
ohne ihre vernichtende Kraft wieder möglich?

 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

  • Antworten 5
  • Erstellt
  • Letzter Kommentar

Lieber Georg,

 

"Heldenepos" - ich brauchte eine Weile, um eine Verbindung mit dem Inhalt des Textes herzustellen. Als ich ihn nochmals durchlas, war mir klar: Das sind die beiden bösen Winde, die den menschlichen Wesen wie der Natur so zusetzen. Wenn du so willst, ein moralischer Wink mit dem Zaunpfahl ohne Schuldzuweisung ("Niemand weiß, wer ihnen die Tore geöffnet"). O.ha!

Als kleines Dankeschön für deine Aufmerksamkeit einige Zeilen zum Schmunzeln:

"Eine ausgewachsene Zwiebel entwich heimlich einer langweiligen Fibel. Sie verlor auf ihrer Flucht den Zwielaut, traf auf einen Apfel, der ihr das "a" aus ihrem Namen schenkte. Gerührt gab sie den Zwielaut "ie" der neuen Freundin, und beide nannten sich "Zwabel" und "iepfel". Die Fahndung nach Zwiebel und Apfel musste erfolglos abgebrochen werden."

 

Lieben Gruß

Carolus

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Ein sehr anspruchsvoller Text, Carolus, der zum Nachdenken anregt und traurig stimmt, denn die Erkenntnis deiner Zeilen ist schreckliche Wahrheit. Es werden noch viele Winde wehen, bis wir Menschen wach werden. Ich finde auch, dass du das hervorragend umgesetzt hast!

 

Lieben Gruß, Letreo

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Liebe Letreo,

 

herzlichen Dank für dein zustimmendes Lob ("...anspruchsvoller  Text..., der zum Nachdenken anregt und traurig stimmt"), was vom Verfasser nicht unbeabsichtigt war, stimmen ihn doch die Ignoranz, Denkträgheit und mangelnder Mut in dieser außergewöhnlichen Krise mal wütend, mal melancholisch bis tief traurig.

 

Ursprünglich dachte ich an die vier apokalyptischen Reiter, aber die erschienen mir als zu starker Tobak. Also ließ ich das, dachte an die vier Winde in der Antike und stattete sie mit zeitgemäßen Attributen aus. Beim Schreiben wurde mir klar, dass das Gedicht recht umfangreich werden würde (was angesichts heutiger Lesegewohnheiten schon fast als eine Zumutung empfunden werden kann). Also brach ich nach der Beschreibung zweier Winde ab.

Thema und Inhalte haben mich weiter im Griff.

 

Lieben Gruß

Carolus

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Archiviert

Dieses Thema ist jetzt archiviert und für weitere Kommentare gesperrt.


×
×
  • Neu erstellen...

Wichtige Information

Community-Regeln
Datenschutzerklärung
Nutzungsbedingungen
Wir haben Cookies auf deinem Gerät platziert, um die Bedienung dieser Website zu verbessern. Du kannst deine Cookie-Einstellungen anpassen, andernfalls gehen wir davon aus, dass du damit einverstanden bist.