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Du lässt mich im Regen stehen


Freiform

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Zitternd halte ich deinen Brief in meinen Händen und mit jedem Wort bricht ein Stück aus meiner heilen Welt, die ich so gerne nach außen darstelle. Jeder deiner Sätze demontiert feinsäuberlich meine Vorstellung, die wohl nur in meiner Wahrnehmung Bestand hatte. Wie kann man sich nur so täuschen? An der Realität vorbeifühlen? Jeden Tag blinden Auges eine Illusion leben, die man bis in die Nacht und in seine Träume trägt?

Du schreibst davon, dass es dir leidtun würde, dass deine Gefühle sich mit der Zeit verändert hätten und du in mir nicht das gefunden hast, wonach dein Herz eigentlich strebte. Du erwähnst aber mit keinem Wort, wonach du überhaupt suchtest und warum du solange brauchtest, um dir dieser Tatsache bewusst zu werden. Wie soll ich das verstehen? Wie soll ich das nachvollziehen können?

Mir dreht sich der Magen um und mit jedem Stück Erbrochenem steigt in mir eine Wut, die ich nicht zu bändigen weiß, da sie mir völlig unbekannt ist. Noch nie habe ich so empfunden, mich so verletzt gefühlt. In dieser unkontrollierten Wut zerschlage ich alles, was mir in die Finger kommt und es dauert nur Bruchteile von Sekunden, bis Blut sich in den Scherbenhaufen mischt. Körperlichen Schmerz spüre ich nicht, und auch sonst wird jede Körperregung und Emotion einfach in pure Wut umgewandelt, bis mein Körper und mein Unterbewusstsein die Reißleine ziehen, um mich vor mir selbst zu schützen.

Wimmernd und erschöpft liege ich am Boden und zum ersten Mal seit späten Kindertagen benetzen Tränen des Schmerzes meine Wangen. Wie oft habe ich wegen dir vor Glück geweint, weil ich einfach nicht glauben konnte, dass du dich wirklich für mich entschieden hattest, wo die Schlange der Anwärter doch so lang war. Ich musste weinen, als wir das erste Mal miteinander geschlafen haben, weil ich so überwältig von diesem Erlebnis war, das nur Tränen in der Lage waren, diesem Gefühl Ausdruck zu verleihen. Jetzt halte ich zitternd ein Stück Papier in den Händen, ein Stück Papier, auf dem steht, dass das alles nur gelogen war.

 

 

 

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Lieber @Freiform!

Das LI ist vom Herzschmerz betroffen und braucht nun Hilfe. Sehr schön beschrieben, sowie als würde es sich das ganze aus dem Herzen schreiben! Dankeschön, gerne gelesen! 

Auch der Song dazu gefällt mir gut! Manche Zeilen sind etwas zulange aber das macht nichts. Im ganzen ist es ein schöner Song! Gerne gehört. 

 

~ Mfg krampus.schatten

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Hallo Freiform,

 

authentische Geschichte? Um so schreiben zu können, muß man so etwas erlebt haben. Bin voll bei Dir, habe die Palette der Gefühle durch. Enttäuschung, Wut, Verzweifelung, Selbstmitleid mit körperlichen Symptomen. Gott sei Dank nur einmal. Sehr gelungene Beschreibung, meisterlich. Schönen Tag Dir. Kurt

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Hallo Freiform,

 

ein trauriger Text und ein trauriges Lied und beides stimmt mich ebenso traurig, aber so ist es nun mal, wenn man enttäuscht und verletzt wird, wie dein LI. Das Schreiben und das Musizieren sind zwei gute Möglichkeiten, über Schmerz hinweg zu kommen, bzw. ihn besser zu verarbeiten.

 

Lieben Gruß, Letreo

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Hallo Miteinander,
eine großen und herzlichen Dank an euch für das Lob und die zahlreichen Rückmeldungen zu dieser Geschichte, die wie meistens bei mir, auf keinerlei wahrer Begebenheit beruht. Sicher ein Thema, womit die allermeisten Menschen Bezugspunkte finden, denn wer kommt schon durchs Leben, ohne in der Liebe nicht nur Erfüllung, sondern auch Schmerz gefunden zu haben. 
Den Song gab es wie üblich beim mir zuerst und die Geschichte habe ich dann hinterhergeschoben. Mir fällt es meistens leichter die Stimmung eines Liedes in einen Text zu übertragen als umgekehrt. 

Dankeschön! :smile:
@krampus.schatten@Carlos@Melda-Sabine Fischer@Lightning@Kurt Knecht@Letreo71@CB90@Flutterby@Gina@Sonja Pistracher

 

Grüßend Freiform

 

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  • 3 Wochen später...

Eine wunderschöne Kurzgeschichte. Sie ist sehr gut geschrieben und deprimiert einen wirklich (in diesem Fall ist das gut). Besonders schön finde ich das Ende! Die Emotionen des Weinens aus purer Trauer mit denen aus purer Freude zu vergleichen, zeichnet ein unglaubliches Bild von emotionalem Drucheinander. Abgerundet und verstärkt wird das ganze noch mit starken, folgenden Worten: 

Am 20.11.2020 um 07:30 schrieb Freiform:

 Jetzt halte ich zitternd ein Stück Papier in den Händen, ein Stück Papier, auf dem steht, dass das alles nur gelogen war.

 

 

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