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Zeit des Sterbens

Im Sterbezimmer spüre ich den Lebenssaum.
Das Dämmerlicht erfüllt schon längst den Raum.
Ein Mann erhofft sich eine starke Hand,
er sagt: „Die Stille schreit, ich glaub es kaum.“

Ein Hilferuf! Der Fluch auf Arzt und Schwestern.
„Ich werd gesund!“ In jedem Wort auch Lästern.
Der Tod klopft an, ist nahe schon zum Greifen.
Begreifen? Spiegel zeigen noch das Gestern.

Dann Tage später spüre ich ein Handeln.
Der Todgeweihte will noch etwas wandeln.
Bekennen will er jetzt auch seine Sünden.
Und mit dem Teufel will er selbst verhandeln.

Er trauert über nicht erfüllte Träume.
Doch sein Erinnern schlägt auch Purzelbäume
und Stunden die erhöhen ihren Sinn –
als ob ein kurzes Leben überschäume.

Ein sich Ergeben hat sein Herz erreicht,
die letzte Frist in Frieden nun verstreicht.
Des Rosenzüchters letzte Knospe blüht
auf seinem Grab. Die Lebensfarbe weicht.

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Vielen Dank liebe @Sternwanderer @Egon Biechl @Carlos da ich selbst bereits 8 Jahre als Sterbebegleiterin tätig bin kenne ich jeden Zustand so gut wie wohl du liebe Sternwanderer auch.

Leider lieber Carlos komme ich in der letzten Zeit kaum noch zum Lesen.  Gerade bin ich so in der Flüchtlingshilfe aktiv, ich falle Abends Todsünde ins Bett.

Liebe Grüße Ilona 

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Liebe @Ostseemoewe, liebe Ilona, ich musste mich bei Deinen Ausführungen sofort an das Sterben meiner Mutter erinnern und mir kamen die Tränen. Ich bin sehr dankbar, dass ich sie bis zu ihrem letzten Atemzug begleiten durfte, doch war dies ein Erlebnis, dass mir verdeutlichte, wie schwer eine Sterbebegleitung bei einem doch fremden Menschen sein muss. Wieviel Liebe und Empathie muss wohl in einem Begleitenden stecken, der die Kraft hat, diesen letzten Weg für den Sterbenden als einen leichten zu gestalten.

 

Melda-Sabine

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Liebe @Ostseemoewe, deine Zeilen gehen mir unter die Haut, blicke ich doch auf zwei Sterbefälle im Freundeskreis zurück. Im Gedanken an den Tod ist nicht die Angst direkt davor beängstigend , sondern das womögliche ggf. lange Leiden, das einen ereilen könnte. Dein Gedicht ist, trotz des ernsten Themas, sehr harmonisch und "weich" fließend geschrieben. Es hat mir sehr gefallen

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Vielen Dank lieber @Carlos nur in meinen Gedicht geht es um die Phasen des Sterbens und nicht um Flüchtlinge.  Liebe @Melda-Sabine Fischer so schlimm es auch ist einen Angehörigen zu begleiten, so befriedigend und erhabend ist es doch . Ich habe trotzallem das Gefühl, es ist leichter als Außenstehender Themen anzusprechen als es für Angehörige ist. Ich kann als Außenstehende auch leichter auf den Sterbenden einwirken. Und  ein Sterbender durchlebt viele Phasen und Angehörige werden dabei vom Sterbenden oft verletzt.  Ich kann dann einfacher schlichten.

Liebe @aimee von klee vielen Dank und zu deiner Beruhigung mache eine allumfassende Pflege und Vorsorgevollmacht. Sie kann unter Umständen dafür sorgen nicht ewig an Schläuche zu hängen.

Liebe Grüße Ilona 

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vor 2 Stunden schrieb Corazon De Piedra:

Liebe Ostseemoewe, 

dein Gedicht hat mich sehr berührt, ein Thema, dem ich auch schon versucht habe dichterisch nahezukommen.

liebe @Corazon De Piedra vielen Dank für Dein Lob. Letztendlich liegt es sicher auch am Thema, es bewegt fast jeden Menschen. 

 

Allerdings schreibst du in einer anderen Liga, dein Gedicht ist voller Anregungen zum Nachdenken und auf einem Niveau, dem ich nur Respekt zollen kann. 

Ich schreibe nun über vierzig Jahre und habe vieles erst lernen müssen um immer etwas besser zu werden. Und es ist immer ein abwägen zwischen dem dichterischen Schreiben im Metrum und nach strengen Formen und dem aus dem Herzen etwas hinaus schreien. Ob es dann funktioniert hat kannst du immer nur dem Leser überlassen. Niemand anderes ist in der Lage es real zu beurteilen. Und deshalb, ich kann Dir nur raten, schreibe zu 80 % mit dem Herzen und 20% sollte dann im Rhythmus, oft mit Reim sein.  

 

Genau wie deiner Tätigkeit als Sterbebegleiterin. Du hast mich mit diesem Gedicht tief beeindruckt. 

 

Corazon 

Ich hatte im Leben soviel Glück und ich gebe davon gerne etwas zurück und Glück wird größer wenn man es teilt. In diesem Sinne

Liebe Grüße Ilona

 

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Liebe Ilona, Du näherst Dich hier gekonnt einem schwierigen Thema.

Ich persönlich möchte so leben, dass ich auf dem Sterbebett nicht meinen Träumen nachtrauere. Dazu ist anzumerken, dass ich nicht alle meine Träume leben muss, aber doch Ziele im Leben habe.

 

Lieben Gruß Juls

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Liebe @Ostseemoewe,

mit sehr poetischen Bildern beschreibst du einen Sterbeprozess, einen individuellen oder vielleicht sogar einen typischen? Wir wissen nicht, wie sich der Sterbende fühlt, und das Gedicht bleibt auf einer hypothetischen Annahme.

Auch Sterben will in meinen Augen gelernt sein.

In der Typologie des Sterbens ist Trauer wohl das angemessene Verhalten des Hinterbliebenen, und Angst vor der Ungewissheit überkommt den Sterbenden. Du versucht dich, in seine Gehirnwindungen hineinzubegeben.

Frage mich oft, ob der Sterbeprozess ein kultureller oder individueller Vorgang ist. Denn es gibt ja auch durchaus Kulturen, die ein Freudenfest für ihre Sterbenden zelebrieren. Für den Dahinsiechenden ist es wohl ein überwiegend einsamer Weg. Obwohl ihn alle gehen müssen und alle vor uns gegangen sind, zig milliardenfach, ist es ein nicht gemeinschaftlich oder natürlich anmutender Prozess. Wir sind nunmal für das Leben geboren, obwohl Leben nichts anderes bedeutet als ein lebenslanges Sterben, mit jeder einzelnen Zelle, mit jeder Krankheit die im Leben hinzukommt.

Viele gehen ausgerechnet dann, wenn der Begleiter nur mal kurz den Raum verlässt. Die trostspendende  Hand liegt dabei vermutlich eher im Auge des begleitenden Betrachters. Es gibt dem Hinterbliebenden Kraft, weil er sich in der (oftmals nur kurzen) Zeit seines Abschiedschmerzes, seiner Ohnmacht und  Hilflosigkeit "nützlich" machen konnte. Es sind auch bestimmt sehr wichtige individuelle Rituale in unserer Kultur, die unser kollektives Denken bestimmen.

Den Indianer mit dem inneren Frieden  sieht man nicht mehr auf seinem letzten Weg den Berg besteigen. Der natürliche Kulturmensch stirbt anders. Einen Abgang in erfüllter demütiger Dankbarkeit mit einem erlösten Lächeln scheint es nur sehr selten zu geben. Warum?

Ich weiß nicht, ob man sich das "richtige" Sterben zu Lebzeiten schon vornehmen kann,  oder ob die ortsübliche Angst und Generalabrechnung immer automatisch die Todesregie übernehmen müssen - schon zu Lebzeiten und womöglich über Jahre hinweg.

Wo sprirituelle Dienstleister versagen, boomt die Industrie des ewigen Jungbrunnens und der Idee einer grenzenlosen Selbstentfaltung. Sie fesseln uns an die Vorstellungswelten im Diesseits. Sie lässt den Abgang zu einem Schmerz werden, was hätten wir nicht noch alles tun können, welche Apparatur oder Medizin ist denn noch nicht versucht worden. Für manche bedeutet Tod  nur noch Stresserlösung. 

In meiner Vorstellung ist Sterben durchaus erlernbar, und damit meine ich nicht das selbstbestimmte Ende und die Machbarkeit eines  würdigen Abschieds in einem Nobelhospitz mit Spritze und Rotwein. 

Ich meine die Einstellung zum Tod,  die Einstellung des Sterbenden und die der Hinterbiebenen.

gerne gelesen, und zum Nachdenken angeregt,

LG Amadea

 

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Liebe Ilona,

 

so ähnlich habe ich es auch erlebt - du beobachtest gut und beschreibst es sehr gekonnt, und man merkt, dass du den Vorgang des Sterbens oft erlebt hast, die Widersprüchlichkeit der Gefühle und Worte. Wer wollte das nicht verstehen!?

 

Sehr schön, der Abschluss!

 

Am 31.3.2022 um 12:09 schrieb Ostseemoewe:

Des Rosenzüchters letzte Knospe blüht
auf seinem Grab. Die Lebensfarbe weicht.

 

Gern gelesen! Liebe Grüße

N.

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