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Der Herbstlaubkranz


Marc Donis

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Der Herbstlaubkranz

 

I

Der Sonnenuntergang Berlin nun küsste,

die Kälte auch nun kommen müsste,

so stand ich still auf einem Gleis,

es sank die Sonn‘, der weiße Kreis.

 

Die Wolken trieben wie verfolgen,

als hätt‘ sie jemand weggezogen,

der Herbst lag still mit welcher Zier

und rankte sanft, mit kühler schier.

 

Ich blickte hoch, mein Blick verschlang,

im Herzen Schmerz mit Seelendrang,

die Augen war’n durch Gram geweitet,

da Trauer uns ins Schlechte leitet.

 

Mein Aussehen war, es zog Verdacht,

der Tag verstrich, es trieb die Nacht,

zwar konnt‘ ich mir die Freiheit denken,

doch konnt‘ die Nacht mir diese schenken?

 

Es erschien mir als wär’s so letztlich,

als wär‘ das Leben wie verletzlich,

ich wusste seit genormter Zeit,

was bedeutet nun die Einsamkeit.

 

Ich fühlte mich in Welt verloren,

im Leben kalt und schnell erfroren,

vernachlässigt vom Schicksal auch,

der Stolz erbleicht, kein Lebenshauch.

 

Es war ein Hauch von bittren Klängen,

als wollten sie mich bloß verdrängen,

ein Leben mit und kargem Wissen,

als wär‘ das Herz in zwei gerissen.

 

Als ob Dunkelheit sich ruhig läge,

über mich und Niederschläge,

der Kummertod, er wollt‘ sich legen,

doch ich kämpfte still dagegen.  

 

Die Trauer war ein Spiel mit Tücke,

die Seele brach‘ in tausend Stücke,

das Herz schlug, als ob das lebte,

doch der Tod darin bloß bebte.

 

Mein Körper glich wohl einer Hülle,

der Schmerz in mir, mit welcher Fülle,

eingehüllt darin mit schwerer Fasche,

das Herz zerfiel in Glut und Asche.   

 

Was sollte das nur bloß bedeuten?

Ein Fremder war unter Leuten,

doch niemand sah und konnte sagen,

was trug ich damals nur für Plagen. 

 

Für viele glich das einem Spiel,

die Sorgen wurden viel zu viel,

ich wollte raus, ich wollte tasten,

die Seele trug zu viele Lasten.

 

Die Frage kam so sehr Ergebens,

was ist der Sinn des ganzen Lebens?

Auch wenn die Frage es verschwieg,

lag mein Herz in Mosaik.

 

Auch stand ein Mann am stillen Gleise,

er sah zu mir, so flehend leise,

es war als wär‘ er zweigespalten

er wollt‘ zu mir, doch ließ sich halten.

 

Er schien es scheinbar zu bemerken,

wie Gram und Schmerz sich verstärken,

er lief zu mir, auch als ich starrte,

er blieb‘ dann stehen und wie verharrte.

 

Nun wurd‘ es spät, es schien zu nachten,

ich versuchte ihn nicht zu beachten,

ich glaubte still, ich hat’s verborgen,

mein schweres Ich, die tausend Sorgen.

 

Doch trotzdem nein, welch‘ ein Versuch,

so las er mich nun wie ein Buch,

als blätterte er Seit‘ für Seite

und fand dann vor – das Todgeweihte.

 

Als wäre ich verdammt zum Sterben,

er las das Aug‘ und meine Kerben,

er las mich so – mit wahrem Mittel,

so las er dann mein letztes Drittel.

 

Er rieb‘ sich dann zwar seine Hände,

doch das war erst nicht das Ende,

das Lesen tat und setzte Schnitte,

so lief er dann zu mir zur Mitte.

 

Ich spürte ihn um Worte ringen,

sein kalter Blick begann zu dringen,

die Augen grau, so bitter wanden,

da meine Sorgen nicht verschwanden.

 

„Weißt du wie viel dein Herz nun hegt?

Zum Schlafen hat’s sich’s hingelegt,

du musst nun still daraus erwachen,

du musst leben, du musst nun lachen.

 

Ich merk‘ dein Leid, dein stilles Wehen,

das Gute musst du einfach sehen,

auch wenn die Schmerzen alles tönen,

gehört die Welt dem allem Schönen.

 

Ich spreche Wahrheit, mit der Kühle,

die Wahrheit, welch‘ ich einfach spüre,

du musst das Leben nun ersteigen,

bring‘ das Elend nun zum Schweigen!

 

Du trägst in dir wohl eine Krone,

setzt‘ sie auf, besteig‘ den Throne,

du bist geprägt von Krieg und Wogen,

von Kummer bist du überzogen.

 

Die Freude wurd‘ dir zwar genommen,

dein neues Licht ist nun entglommen,

es ist so leicht den Fried‘ entbehren,

schwer ist es ihn nun zu gewähren.

 

Lebe nun seit diesen Stunden,

sei dem Leben mehr verbunden,

du musst dich jetzt wohl auch fügen

beginne jetzt mit dem Begnügen.“

 

Die Zärtlichkeit war bloß so schmerzlich,

jedes Wort war bloß so herzlich,

doch trotzdem war das schmerzverbunden,

zu hören das, nach schweren Stunden.

 

„Den Tod, man kann ihn nicht erahnen,

er kommt so rasch und zieht von dannen,

ein Mensch erscheint zuerst wohl nichtig,

doch ist er tot, dann wird er wichtig.“

 

 

II

Ich erwachte nun nach diesen Stunden,

der Schmerz loderte wie freientbunden,

der Mann, welcher still vor mir stand,

er einfach wie ein Geist verschwand.  

 

So lag ich wach auf kaltem Saum,

der Mann verschied, es war ein Traum,

ich hatte Angst, dass er mich tastet,

er war nicht da, ich seufzt‘ entlastet.   

 

Ich sah ihn, als ob er vor mir stände,

wie er sprach und rieb sich seine Hände,

ich sah sein Haupt, so klar und deutlich,

grau-livid, so erschien es so sehr häutlich.

 

Seine Stimme schien ich noch zu hören,

so knarzig als würd’s verstören,

durchzogen dann mit ‘nem trocknen Husten,

durch schwarze Lungen, die verrußten.

 

Doch seine Augen kalt, so grau ermattet,

durch tiefste Trauer überschattet,

wie Perlen waren sie so geschliffen,

die Kühlheit war auch inbegriffen.

 

So abgenutzt und so verrieben,

als ob sie wie im Meere trieben,

als ob das Meere sie so feilte,

sie formte und die Zeit nicht heilte.

 

Als wär‘ die Sorge bloß das Meer,

so feilte dies‘ die Augen schwer,

so trüb wurd‘ sie durch die Jahrzehnte,

so matt durch das, was er ersehnte.

 

So schliff das Meer der Sorg‘ direkt,

so rauschend, schwer und unerschreckt,

die seine förmlich alten Augen,

die bloß des seinen Schmerzens taugen.

 

Das war ein Kampf, sie so zu sehen,

doch viele könn‘ das nicht verstehen,

was heißt, Dämon still zu haben,

die einem dann das Grabe graben.     

 

Es erschien, als ob sie trüben,

um das Quälen lind zu üben,

so liefen wie angebunden

und drehten so ihre Runden.

 

Die Geister, die ihn quälten kläglich,

war’n für ihn so unerträglich,

so bitter sehr sie ihn umwebten,

sie hielten ihn für kein Gelebten.

 

So tobten sie an kurzer Leine

und schlugen ihn mit welchem Peine,

bis das Herz sich wie entblößte,

was das Sein in ihm so löste.

 

So hat das Blut sich still ergossen,

die Psyche dann auch überflossen,

so kam der Schmerz aus jeden Quellen

und wollte sich dazugesellen.

 

 So wurd‘ es laut in seinen Stimmen,

das Ich in ihm begann zu schwimmen,

doch immer mehr Blut sich dann wallten,

so konnt‘ er sich bloß nicht mehr halten.

 

So war er karg und brüsk ertrunken,

das Lieb‘ in ihm auch mitversunken,

so glich der Tod der Schmerzenfänge,

er war erstarrt, im Schmerzenklänge.

 

So liefen ihm die Trän‘ an Wangen,

durch Augen hat der Tod angefangen,

er sah zu viel, was ihn vernichtet,

der Gram, der hat sich wie verdichtet.

 

Ersetzt war es, das Herz, zum Ballen,

gehalten nur durch Schmerzenkrallen,

so schlug es starr, das schwarze Stück,

das Glück verstarb, kam nie zurück.

 

So pocht‘ es nun, das so erstarrte,

das nichts als Leere so bewahrte,

so glich es tot und so bewegte,

das selbst das Glück es gar nicht hegte.

 

Der Ballen glich wohl einem Lupen,

der konnte zwar das Blut noch pumpen,

doch dieser war so sehr zerschlissen,

zerfleddert auch, in zwei gerissen.

 

Das Blut war schwer mit Angst vergiftet,

das alles bloß den Grame stiftet,

so füllten sich mit Gram die Zellen

und das geschah so bitter schnellen.

 

Das Trübsal schlicht ihm nichts gewährte

der Kummer sich vom Schlechten nährte

und letztlich kam das wahre Ziel,

der Mann gab‘ auf und wie zerfiel.

 

So starb‘ er dann, der Schmerz gedeihte,

nun suchte auch das Karge Weite,

 war das auch so deren Nöten,

den alte Ich von ihm töten?

 

Inzwischen war ich wieder draußen,

der Herbst, er trieb sein Handeln außen,

so sah er mich mit kühlem Wesen,

und säumte dann den Wald erlesen.

 

Ich lief durch ihn, durch Ficht‘ und Tannen,

die Sonne wollt‘ sich dadurch bannen,

so grüßten mich auch Erl‘ und Buchen,

ich wollte Schönheit auch besuchen.

 

Ich lief und folgte ich dem Pfade,

die Blätter tief, ein Herbstgestade,

ein Meer aus tausend bunten Blätter,

mit Nebeldunst, welch‘ mildes Wetter.

 

Es glich Magie, ja einem Zauber,

verwunschen floss am Morg‘ der Tauber,

die Blätter trieben und entschwebten,

sie zeugten wohl vom sanft Gelebten.

 

Ich lief so leicht, mit weichen Schritten,

die Blätter schienen mich zu bitten,

ich sollte diese gar nicht strafen,

sie wollten wahr in Händen schlafen.

 

Ich wusste nicht, ich fühlt‘ die Schläge,

die Blätter neigten, mild und träge,

zwar endete nicht ganz ihr Leben,

doch waren sie der Zeit ergeben.

 

Das glich so sehr einem Gefieder,

sie glitten still und förmlich nieder,

und deckten ein so zwischen Wegen,

so wollten sie sich Schlafenlegen.

 

Sie legten sich wie Schnee und Daunen,

ich hörte wohl ihr leises Raunen:

„Sei getrost, ja selbst, sogar,

die Kunst geschieht ja jedes Jahr.“

 

Ich ließ dann still Gedanken hegen,

mir liefen dann ein Mann entgegen,

ein Mädchen hielt er dann am Arme,

sie kannte weder Schmerz noch Harme.

 

„Sieh‘, Opa, sieh‘, ja diese Bäume,

die Buntheit, ja, ich glaub‘, ich träume,

siehst du das, die Zweige neigen,

sie wollen uns wohl etwas zeigen.“  

                                                                           

„Ja, mein Schatz, ich seh’s genau,

es scheint der Dunst mit seinem Tau,

lieblich beugt er, wie der Aste

mit Schönheit auch, ach‘ welcher Gaste.“

 

Ich lief vorbei, da rief die Kleine:

„Ich will dir schenken, ja, das Eine“,

der Satz, der war wie mein Bezwinger,

schon neigte sie sich mit dem Finger.

 

Und hob vom Boden welch‘ ein Blatt,

und strich das Rote sehnlichst glatt

und gab‘ es mir mit Blatt und Stängel,

und strahlte auf wie ein Engel.

 

So nahm ich dann das Blatt entgegen,

es war noch feucht vom späten Regen,

es glitten rasch vom Blatt die Tropfen,

im Herzen da, da kam ein Klopfen.

 

Nach Wochen schier, schien ich zu lachen,

die Freude gar durchdrang den Rachen,

ich lachte wohl – erneut, schon wieder

und kniete mich zum Mädchen nieder.

 

„Ich danke dir, du hast’s geschafft,

seit Tagen hab‘ ich nicht gelacht“,

so strich ich sanft wohl über Wangen,

ein Lächeln schien ihr Haupt zu prangen.

 

„Wo gehst du hin? Darf ich fragen?“

Du musst mir das auch nicht sagen“,

sagte sie so lieb und innig,

und lächelte dabei so minnig.

 

„Die Liebe drückt nur noch fester,

so besuche ich meine Schwester“,

sagte ich mit leichtem Hauch

und lächelte dabei wohl auch.

 

„Oh, wie schön, ich will’s beschwingen,

kannst du deiner Schwester überbringen,

diesen Kranz aus Laub, den wir vermochten,

denn hab‘ ich aber selbstgeflochten.“

 

Sie griff zum Kopf und währenddessen,

entband sie ihn aus ihren Tressen

und gab‘ ihn mir in meine Hände,

es glich wie eine Liebesspende.

 

„Du sollst mit ihm nun nicht entweichen,

der Schwester sollst du ihn nun reichen,

ich hoff‘ es wird dich wohl nicht stören,

ich will vernehmen, dein gutes Schwören.“

 

„Ich schwöre dir, bei allen Dingen,

ich werde ihr den Kranze bringen,

ich werde ihn auch nicht entfalten,

sie wird den Kranze sanft erhalten.“

 

 

III

„Nun bin ich hier, oh‘ meine Schwester,

die Lieb‘ zu dir, sie wird nun fester,

stell‘ dir vor, du kannst nicht wissen,

wie sehr man kann dich zu vermissen.“

 

So kniet‘ ich mich dann hienieden,

ich sah den Glanz und welchen Frieden,

ich sah vor mir die Aug‘ geschliffen

inzwischen hatt‘ ich nun begriffen.

 

Was nun meinte still der Mann,

dass man Menschen vermissen kann,

das erschien mir so sehr schwichtig,

nur tote Menschen werden wichtig.

 

„Du siehst mich leider nicht verneigen,

ich wollte dir bloß etwas zeigen,

du bist nicht da, ach, welche Qual,

du würdest’s lieben – allemal.“

 

So stand ich da im sanft Verbeugen,

ich wollte meine Liebe so bezeugen,

mein Verlust, den Gram so tief,

dort, wo meine Schwester schlief.

 

So kniete ich am ihren Grab

und legte dann aufs Grunde ab,

mit welcher Zier und welchem Glanz,

so lag er nun – der Herbstlaubkranz. 

 

Ich wusste nicht, doch wird’s so scheinen,

ob Kranz und sie sich dann vereinen,

ich glaubte sehr, dass sie das werden,

aus Laub entstehen ja schließlich Erden.

 

Ich wusste nicht, ob wird das stimmen,

mag die Hoffnung ja so schwimmen,

vielleicht stimmt am Ende dies

und sie trägt ihn nun im Paradis.

 

 

Berlin; 13.10.2023 – 14.10.2023

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