Rainer Maria Rilke ~ Der Träumer (1895)

[Uschi R.]

Der Träumer

I.

Es war ein Traum in meiner Seele tief.

Ich horchte auf den holden Traum:

ich schlief.

Just ging ein Glück vorüber, als ich schlief,

und wie ich träumte, hört ich nicht:

es rief.

 

II.

Träume scheinen mir wie Orchideen. –

So wie jene sind sie bunt und reich.

Aus dem Riesenstamm der Lebenssäfte

ziehn sie just wie jene ihre Kräfte,

brüsten sich mit dem ersaugten Blute,

freuen in der flüchtigen Minute,

in der nächsten sind sie tot und bleich. –

Und wenn Welten oben leise gehen,

fühlst du's dann nicht wie von Düften wehen?

Träume scheinen mir wie Orchideen. –

 

Rainer Maria Rilke, 1895

Aus der Sammlung Larenopfer

Bild: John Waterhouse 'Lamia and the Soldier'

Music: Oleg Kirilkov

Rezitation: Uschi Rischanek

[Perry]

Hallo Uschi,
ja Träume können wie Düfte sein. Gut, wenn sie "bunt und reich" wie die von Orchideen sind. 
Lass sie uns aufsaugen, denn sie sind flüchtig wie das Glück.
Rilkes lyrische Botschaft dagegen hat die Zeit überdauert.
Danke, dass Du ihr (d)eine Stimme gegeben hast und LG
Perry
 

[Uschi R.]

@PerryIch bin es lieber Perry, die zu danken hat. In diesem Zusammenhang danke ich auch den Admins, da nunmehr bei den Neuveröffentlichungen auch die 'Alten Meister' angezeigt werden, die zuvor nicht so beachtet wurden, was ich persönlich als schade empfand, denn gerade von ihnen kann man so viel mit nehmen.

Danke fürs Mitträumen!

LG Uschi