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Die schwarze Kirche

 

 

Die Abendsonne funkelte rötliche Liebespfeile
durch die gotisch floralen Fensterdome,
deren Schattenmorellenfarben nackte Elfen und Seerosen in
verzückten Glasmalereien offenbarten.

Die Stuckfenster und Bögen verliehen dem kleinen Saal
etwas feierliches und der kleine Springbrunnen mit Rotwein
erwartete aus dem Munde einer Muse
den erquikenden Kuss berauschender Sinne.

Der wahre Kirchenhort öffnete sein Paradies um Mitternacht
und herein strömten Freunde, Gleichgesinnte, Künstler, Visionäre, Heiden,
Outsider und weiß der Teufel wer.
Mädchen mit schwarzen Lippen, milchreiner Haut und glühenden Augen,
lächelten ins blühende Blumenlicht dicker Kerzenstatuen.

Die Seitenschiffe der einst leerstehenden Kirche
waren komplett zu Liebessälen verwandelt.
Blumen in allen Farben blühten einmalig unter den Tritten der Gäste,
welche sich in mit Rosenwasser gefüllten Marmorwannen
ihrem Vergnügen hingaben.

Die Bedienung trug zierliche Schmetterlingsmasken und durfte mit ihnen tun,
was sie wollte, solange es aus freiem Willen geschah.
Gelage umkränzte die schweren Kerzenhalter und von elbenverschlungenen
Schlussteinen rankten aus Dornen gesponnene Rosenkranzleuchter herab,
zu dem schüchtern erröteten Ambiente der Sprudel- und Weihrauchbecken.

Wir hatten die Ordnung der Gebetsbänke zum Knien beibehalten
und man konnte mit samtenen Gehängen unter sich bleiben.
Das Hintergrundgeräusch leise kichernder und seufzender Stimmen
wirkte anregend, wie das dezente Klingen der Kristallpokale oder das nasse
Lustgefühl sich begegnender, liebesdurstiger Leiber.

Aus den Wänden beugten sich verzückte Engel, die aus offenen Herzen
rötliche Wasserstrahlen bluteten, durchsetzt mit Blumenblüten...
Für hingebungsvolle Gäste, die nicht bloß an den Seitentischen
zusehen wollten, sondern sich in eines jener Muschelbecken
zurückziehen gedachten.

Das linke Seitenschiff umfasste zur Hälfte einen Tanzsaal
mit schwarzen Spiegeln und kleinen Alkoven, zum kennenlernen,
mit Netzzugang zu der Privatbibliothek des Hauses,
wo auch Werke unter Vertrauenspasswörtern einsichtig wurden,
die keine Suchmaschine ihren verzweifelt Suchenden gönnte.

Der vordere Bereich des Seitenschiffs barg Räume
für besinnliche Gemüter, im Muscheldesign,
bekleidet mit römischen Liegestühlen, umflossen von
schwimmenden Früchteinseln und Erfrischungen.

Die vierte Dimension des unteren Gewölbes,
welches über den Kellertreppen erreichbar war,
verschloss sich menschlichen Sinnen
und wir arbeiteten noch daran... in den Tiefen, den Wesen
der ewigen Metamorphose alles zu bieten,
was ihre kosmische Genese beschleunigen mochte.





- Teil II -

Der Hauptsaal des Kirchenschiffes wurde durch eine
gesandstrahlte Eiskrone gekrönt, ein Meisterwerk
moderner Glaskunst.
Teilweise schien sie gefroren und kühl anzulaufen,
wie Eisflammen, die durch unsichtbaren Zauber
der Zeit und ihrem zügellosen Verfall widerstanden.
Mächtige Dome ragten durchsichtig in die dunklen
Schatten der Schmetterlingskuppel.

Ich selbst nannte das Hauptkirchenschiff Schmetterlingssaal,
weil es wirklich die Schmetterlinge in unserem Wesen
tanzen ließ.
Der tiefe Bass der Musik trieb mit einem irrwitzigen Stoß
rotes Kunstblut durch vier Glasdome nach oben.
Altäre offenbarten seitwärts Tänzerinnen auf Engelpodesten.
Chojin kam die Tische entlang und flüsterte mir etwas ins Ohr:
„Die Scanner unserer Bastler zahlen sich aus..."

„Mit Sicherheit fundamentalistischer Geheimdienst", flüsterte er.
„Sie tragen Mikrokameras und Aufnahmegeräte und sogar
Life-Sender mit sich herum.
Soll ich die Störfunktion wirksam machen?"
„Nein, nicht nötig!
- Setzt sie sofort in eine VIP-Lounge", flüsterte ich.
„Nahe zur Krone der zwei bleichen Schwestern."

Seine Blicke flogen träumerisch kurz zu dem
strahlenden Rubinschauspiel der Bühne.
- „Ja, es ist schon ein Fluch, das du alles haben kannst,
wenn du zu anziehend bist und darum niemandem mehr
trauen vermagst..."
„Sieh mal, mit welchen Augen die sich hier umblicken."
„Als wäre dies ein Raumschiff und wie unwohl und steif sie
ihre Kasematten-Klamotten tragen!"

- „Was sollen denn diese protzig verkehrten Kreuze
bis zum Bauchnabel?"
„Dabei sollten die Augen deiner Feinde die schärfsten
und ehrlichsten sein..."
Schließlich kam "Snowflake" an unsere Tafel und ihre traurigen Augen
funkelten wie seltsame Eisflocken durch die Reflexe
der Bühne.
- „Ich liebe die Magie welche Transzendenz zeugt, zwischen
Realität, Geist und Phantasie", haucht sie und zwinkerte
einem der Gäste dabei zu.

„Eben träumte ich noch von weißen Stuten, die ich entlang
einer gischtgepeitschten Küste entlangritt und das Meer grollte,
welches unsere geliebte Insel vor Entweihung verbarg."
- „Du bist der Liebling unserer lichterfüllten Ahnen!
Gibt es denn nichts mehr, was dir reine Freude bereitet?"

- „Du weißt ganz genau, was mir schiere Freude bereitet!
Das selbstvergessene Tanzen, mein Lieber, das Schwingen der Seele!"
„Ich begebe mich mal zu unseren Glaubensbrüdern", seufzte sie.
Sie schaffte es relativ schnell, eine angeregte Diskussion dort zu entfachen.
Später kam ihre Schwester hinzu und setzte sich in den Schatten
hinter ihrem fast nacken Rücken.

Eben ging es um die Frage, ob Erfolg glücklich mache, wenn dadurch
erst andere unglücklich gemacht werden müssten.
„Ich finde, Konkurrenz belebt das Geschäft", mischte sich ein junger
Yuppie ein, der schon lange "Snowflake" mit den Augen verschlang.

„Ich frage mich, ob es wahre Konkurrenz bei all den Lobbys und
Absprachen und verteilten Rechten überhaupt noch wirklich
gibt?"
- „Es wird immer eine hierarchische Pyramide geben.
Was gut ist und gerecht, entscheiden immer die Gewinner!"
- „Ich nehme mal stark an, du gehörst dazu..."
- „Wenn ich dich heute Abend die Pyramide emporsteigen ließe,
wäre dies mein erfolgreicher Höhepunkt, Baby..."

- „Hast du dir jemals vorgestellt, das all diese Menschen
bloß wegen ihrer Seele hier auf Erden so dermaßen
gut gedeihen?"
- „Seltsame Frage...
Also, ich glaube nicht an eine eigensinnige Seele.
Eher an Beweise durch materielle Vernunft."
- „Nun, an die eigene Seele muss man gar nicht glauben.
Man muss sie sich nur bewusst werden lassen..."

- „Sieh da, mit dem umgedrehten Kreuz über dem versteckten
goldenen Kreuz unter ihrem Brokathemd!"
„Könnten sie sich vorstellen, das Jesus damals seine
Jünger sein Blut trinken ließ und in diesem Ritual
von seinem Königreich als Seele sprach?"
Die Männer wechselten kurze Blicke und meinten
freundlich, das sie davon keine Kenntnis besäßen.

- „Viele Gründer von Menschreligionen waren Bluttrinker.
Womöglich legten sie Herden an, mit Hirten für den
jüngsten Tag..."
Der Yuppie wollte unbedingt ihre Aufmerksamkeit zurück...
- „Alle Religionen verfolgen im Kern angeblich den einen göttlichen Traum.
Steht sogar in Wikipedia!
- „Hmja, dann muss es wohl zweifellos stimmen...
Eher verfolgt man den alten Traum Roms, welches seine Macht durch
das Wechseln eines Glaubenssystems vor dem Aussterben bewahrte."

Einiges Wissen hatten sie von den Etruskern und später von den
Griechen übernommen.
Doch ihr Minderwertigkeitskomplex vor Kulturen, die Frauen die gleichen
Rechte mit jener Unschuld zugestanden, die Männern vorbehalten blieb
ließ selbiges nicht zu.
Die Heilkunst entfremdeten sie von den Heiden, denn wer die Krankheit
beherrscht, wird zweifellos zum einzigen Heilmittel...
Doch die sagenhafte Insel der Etrusker wurde nicht gefunden."

„Dies hätten deren Ahnen niemals zugelassen", fügte ihre Schwester
hinzu.
Die seltsamen Ausführungen könnten einer Wahnsinnigen entsprungen sein,
doch ihr ernster Ausdruck ließ einen solchen Verdacht bei ihren Zuhörern
nicht aufkommen.

- „Das klingt ja abgefahren! Sag mal, spielst du Rollenspiele?
Könnten wir uns mal im Netz treffen und du erzählst mir dann mehr
von deinen hammergeilen Welten?"
- „Lass uns lieber jetzt ein weniger harmloses Spielchen spielen,
bevor dies ein theologischer Adventsabend wird."

(Sie lächelte bezaubernd).

„Gleich setzt hier jegliches Licht aus.
Ich und meine Sis ziehen uns dabei nackt aus
und dann werden wir dich abwechselnd reiten,
bis du um Gnade bettelst.
Ich will nur ein Ja oder ein Nein, Süßer."

„Oh ja!"
„Das waren zwei Worte, mein Lieber..."
„JaJaJa!!!"




© j.w.waldeck 2009

 

 

Where sad girls fly away...

 

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Verehrter Wortweber @Dionysos von Enno,

 

ich vergesse nicht, zu antworten, auch wenn bei mir die Zeit oft

anders abläuft, durch... na ja, lassen wir das besser nicht öffentlich werden.

Ich bin in Gothic-Kellern stets mit Anzug gegangen, wenn ich eigentlich

eh woanders hinwollte, nur um abgelehnt zu werden und

um eine Diskussion zu haben, inwieweit sich Gothics von anderen

Gruppierungen unterscheiden, die eine äußerliche Uniform brauchen,

um als Gothic zu gelten.

Die Weiber, übergewichtig geschminkt (ich denke, ich habe nichts

falsches formuliert) und eingebildet bis zum GetNo.

Darunter ist immer eine anmutige Perle, die immer einen Beschützer hat.

Die anderen spielen mit den verzweifelten Singles mit Hang zum INCEL-Dasein.

Im Metalbereich ist jede Anwesende Königin, mit mindestens einer Traube

von bereitwilligen Bierträgern, Anträgern und sonstigen hoffnungslosen

Trägern, die den ausgleichenden Mangel durch den Zustrom vieler Männer

aus der ganzen Welt mit ganzem Einsatz wettmachen wollen,

dabei aber als uninteressant in die Freundschaftsfalle stapfen,

die es ihnen fortan nicht mehr ermöglicht, sinnliche Wünsche je

zu gestehen.

Dabei sind Metalfans die treuesten und fleißigsten Ehepartner.

Viele beruflich tätig und bodenständig und einfach gut drauf.

Doch außerhalb der Szene werden sie aufgrund ihrer Kleidung/Musik

einfach als bedrohlich wahrgenommen.

Daran hat sich nichts geändert.

 

Und ja, ein bisschen Spielen mit Klischees macht in diesem

Falle Spaß.

 

 

Lieben Gruß in die nicht zu warme und darum

wunderbare Sommernacht.

Ach, jetzt noch eine stille Seele an deiner Seite,

und die Brust atmet mit tiefen Zügen

eine noch stillere Andacht.

 

Waldeck

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